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Vorteile des hybriden Arbeitens für Produktivität deutlich

Warum hybrides Arbeiten kollektive Fokuszeit braucht – 3 Maßnahmen für das New Normal

© undrey / 123RF.com

145 Prozent mehr Meetings im hybriden Arbeiten und 62 Prozent davon ungeplant. Auch das sind – neben jeder positiven Flexibilisierung – die Auswirkungen im New Normal. Damit einhergehend steigen Erschöpfungsrate und Arbeitsentgrenzung. Warum Unternehmensführung und HR hybrides Arbeiten aus holistischer und neuroergonomischer Perspektive betrachten sollten, erklärt Vera Starker, Autorin und Co-Gründerin des Berliner ThinkTanks NWI in diesem Beitrag.

Hybrides Arbeiten: Mehr als nur Logistik

Hybrides Arbeiten zählt seit nunmehr fast zwei Jahren als New Normal. Viele Unternehmen entwickeln derzeit Regelungen, wie hybrides Arbeiten auch post-Corona etabliert werden kann. Dabei stehen häufig vor allem arbeits-, steuerrechtliche sowie logistische Regelungen im Vordergrund. Dabei sind die Fragen „Wer arbeitet wann, von wo und wie?“ unbestritten essentiell, jedoch für die Produktivität der Mitarbeiter nicht ausschlaggebend. Die in den vergangenen 1,5 Jahren durchgeführten Studien zum Thema Produktivität im hybriden Arbeiten ermitteln sehr gegensätzliche Aussagen: Unternehmen können – je nachdem, wie sie argumentieren – diejenigen Studien heranziehen, nach denen hybrides Arbeiten zu mehr Produktivität führt, oder – im ablehnenden Fall – diejenigen, die eine sinkende Produktivitätsrate ausweisen. Eine unbefriedigende Basis für eine hoch relevante Unternehmensentscheidung. Daher hilft ein Blick auf die gehirneigenen Verarbeitungsprozesse.

Informationsüberflutung und Fragmentierung als digitale Stressoren

Informationsflut und ständige Arbeitsunterbrechungen sind zwei der relevantesten digitalen Stressfaktoren, die nicht zuletzt zu einer deutlichen Zunahme körperlicher Beschwerden führen. Um die Informationsdichte und die Anforderungen zu bewältigen, schalten die meisten Beschäftigten in den Multitasking-Modus und wechseln schnell zwischen einzelnen Aufgaben, um möglichst viele davon zu erledigen. Das menschliche Gehirn ist allerdings nicht in der Lage zwei oder mehr konzentrationsbedürftige Inhalte parallel zu bearbeiten. Denn es verfügt nur über zwei Arbeitsspeicher, zwischen denen es hin und her wechselt. Multitasking führt also zu einem weiteren Anstieg des Stresserlebens und schränkt auch relevante kognitive Funktionen, wie u. a. die Fehlererkennung, die Entscheidungsfindung, aber auch emotionale Ausgeglichenheit und Impulskontrolle, ein.

Technologische Daten und Zoom-Fatigue

Bereits in pre-Covid-Zeiten haben Beschäftigte im Schnitt einen Tag pro Woche damit verbracht, ihre E-Mails abzuarbeiten und weitere acht Stunden, die mit Meetings gefüllt waren. Dabei wurden sie alle 10,5 Minuten in ihrer Tätigkeit unterbrochen. Durch die Corona-Krise haben Meetings um ganze 145 Prozent zugenommen, wovon mehr als 62 Prozent der Treffen ungeplant sind. Damit weist die Microsoft-Trend-Studie eine klare Tendenz auf. Dass die Erschöpfungswerte der Mitarbeiter ebenfalls angestiegen sind, erscheint demnach nur folgerichtig. Es entsteht ein neues Belastungsphänomen: das digitale Erschöpfungssyndrom, oder auch „Zoom-Fatigue“ genannt. Eine im Dezember 2020 erschienene Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) zeigt, dass 62,4 Prozent der Befragten „online-müde“ sind. 70 Prozent der Befragten, die die sogenannte Zoom-Müdigkeit bei sich wahrnahmen, identifizieren fehlende non-verbale Hinweise als ausschlaggebende Belastungstreiber. Circa 45 Prozent der Betroffenen benennen explizit das Fehlen von Gestik und Mimik als belastenden Faktor. Dies lässt sich evolutionsbiologisch erklären: Menschen lesen Mimik und Gestik, um so relevante Informationen über ihr Gegenüber zu erhalten.

Mimik und Gestik können nicht adäquat wahrgenommen werden

Mikroexpression, Gestik und Gesamtkörpersprache geben Menschen essenzielle Informationen über ihr Gegenüber, die sie intuitiv aufnehmen und hinsichtlich des Inhaltes und möglicher Erwartungen verarbeiten. Hier handelt es sich zum Teil um Bruchteile von Sekunden, in denen Informationen ausgedrückt werden. In Video-Calls kann bei einer stabilen Leitung und einem Zweier-Gespräch zwar noch vergleichsweise viel aufgenommen werden. Doch schon bei kleinsten Verzögerungen wird das Gehirn an die Grenze gebracht. Größere Meetings mit mehreren Personen führen dazu, dass man alle Personen gleichzeitig zu „lesen“ versucht. Ein enormer Energieaufwand und starke Reizaufnahme, aus der nicht zuletzt in eine Erschöpfung resultiert.

Neuroergonomische Maßnahmen als Antwort

Um digitale Stressoren zu senken und hybrides Arbeiten produktiv zu gestalten, braucht es folgende kollektive neuroergonomische Maßnahmen in Unternehmen:

#1 Kollektive Fokuszeit

Eine kollektive Fokuszeit von zwei Stunden, die von allen Mitarbeitern im Unternehmen eingehalten wird, lässt sich noch am Abend im Cortisolspiegel messen. Dabei können die zu bearbeitenden Inhalte innerhalb dieser Zeit individuell festgelegt werden, so dass das Selbststeuerungserleben automatisch erhöht wird. Dieses geht oft verloren, wenn Beschäftigte den Arbeitstag komplett fremdbestimmt verbringen. Eine Regel der Fokuszeit lautet, dass alle konzentrationsbedürftigen Aufgaben störungsfrei bearbeitet werden können. Wichtig ist, dass die Aufgaben im Singletasking-Modus bearbeitet werden. Wechselt man während der Fokuszeit zwischen den Aufgaben hin und her, fallen zwar die externen Unterbrechungen weg, doch das Gehirn befindet sich weiterhin im Multitaskingmodus. Die Fokuszeit sollte außerdem von jeder Hierarchieebene nicht nur akzeptiert, sondern auch genutzt werden, da auch Führungsentscheidungen eine deutlich verbesserte Qualität aufweisen, wenn sich das Management eine tägliche Konzentrationszeit einräumt. Denn Fokussierung stärkt die bereits aufgezeigten relevanten kognitiven Entscheidungsfunktionen. Idealerweise verbringen Beschäftigte mindestens die Hälfte ihrer Fokuszeit nicht vor dem Rechner, sondern mit Stift und Papier. Denn das ist nicht nur eine Regenerationsphase für das Gehirn, sondern stärkt auch die Kreativität für die Bearbeitung der To-dos.

#2 Mehr Telefongespräche zu festgelegten Zeiten

Die einfache Übertragung von kurzfristigen Absprachen ins Video-Format ist nachvollziehbar, verstärkt allerdings die „Online-Müdigkeit“. Dabei entlastet es das menschliche Gehirn merkbar, hin und wieder auf das Telefon umzusteigen. Denn hier können sich Mitarbeiter nur auf die Intonation konzentrieren. Allerdings ist ein „Einander ständig anzurufen“, auch nicht die Lösung, da die dadurch entstehende Unterbrechung wieder zu Fragmentierung führt – mit den beschriebenen Folgen für Produktivität und Stresserleben. Eine Ad-hoc-Erreichbarkeit klar zu definieren, sollte daher im Sinne der Produktivität einen festen Platz im hybriden Arbeiten einnehmen.

#3 Vereinbarte Pausen außerhalb des Arbeitsplatzes verbringen

Pausen sind Gehirnarbeitszeit. Hier vernetzt, lernt und regeneriert das Gehirn. Das noch in vielen Unternehmen fehlende Vertrauen gegenüber ihren Mitarbeitern führt dazu, dass im hybriden Arbeiten noch weniger Pausen genommen werden als zuvor. Und selbst innerhalb der Auszeiten greifen Beschäftigte nahezu automatisiert zum Smartphone, was das Gehirn im digitalen Stressmodus verbleiben lässt. Denn es erkennt nicht, ob man digitale Arbeitsinhalte aufnimmt oder private Facebook-Feeds durchstöbert. Aus diesem Grund braucht hybrides Arbeiten auf Teamebene eine klare kollektive Vereinbarung für feststehende Zeiten, in denen Mitarbeiter nicht erreichbar sind, sowie für tatsächliche Pausen, die nicht mit digitalen Medien, sondern idealerweise in der Natur verbracht werden. Selbst ein einfacher Gang zum Bäcker oder stupides Aufräumen sind für das Gehirn weit besser, als weiterhin digitale Inhalte zu konsumieren. Um die sozialen Stress-auslösenden Sorgen „was denkt der andere, wenn ich jetzt nicht erreichbar bin?“ zu vermeiden, ist eine klare Pausen-Regelung auf Team-Ebene notwendig.

Fazit

Kollektive Fokuszeit und ein klares Bekenntnis zu Pausen seitens des Unternehmens ermöglichen es Beschäftigten ohne soziale Sorgen, gut für die eigene Leistungsfähigkeit zu sorgen. Die Mitarbeiter selbst haben es wiederum in der Hand, in den Pausen keine digitalen Tools zu nutzen und wo möglich, wieder auf Telefon und fokussierte, asynchrone Kommunikation umzustellen. Dies stellt die Basis für Produktivität im hybriden Arbeiten dar. Gepaart mit einer sinnvollen Anwesenheits-Logistik, die auch regelmäßig analoge Kooperation in den Teams ermöglicht, überwiegen die Vorteile des hybriden Arbeitens für Produktivität deutlich.

Autorin und Co-Gründerin des Berliner ThinkTanks NWI

Quelle: https://nextworkinnovation.com/

Pressemitteilung veröffentlicht am 19.10.2021 in Allgemein.